Rheinische Post, Juni 2019

Kult-Hof in Mehr wurde umgebaut

Die Familie van Heukelum lädt ein, den von Eling-Architekten (Wesel) umgebauten Dassendonkshof am Tag der Architektur zu besichtigen. In der alten Hof-Anlage entstanden zwei neue, loftartige Wohneinheiten.

 

Die Strichzeichnung von Axel Vater zeigt ein lang gestrecktes Dach. Es ist das Dach vom Dassendonkshof, der gleich hinter der Abzweigung nach Burg Zelem in einer Biegung der kurvenreichen, schmalen Straße zwischen Mehr und Niel liegt. „Gehöft hinter den Büschen irgendwo bei Mehr“, heißt die kleine Zeichnung. Auch Beuys steht auf einem Foto nicht unweit dieses „Gehöfts hinter den Büschen irgendwo bei Mehr“ und hält einen Hasen an den Hammelbeinen. Strenger Blick in die Kamera, neben ihm ein Kinderbett, „wo dat Jüppken dringelegen hat“, wie seine Gastgeberin Leni van Heukelum ihm beibringt. 1978 ist er auf dem Hof der Landwirtin und beide haben mächtig Spaß, wie die Fotos zeigen: Sie soll gesagt haben, dass der Beuys, der doch so ein netter Kerl sei, so verrückte Sachen mache, das verstehe sie nicht, woraufhin Beuys ihre Bildergalerie als „gute Wegwerf-Formate“ geschmäht habe. Beide meinen es nicht ernst, beide lachen.

 

Der Dassendonkshof, den Eling-Architekten aus Wesel für die Familie van Heukelum jetzt umgebaut haben und am Tag der Architektur der Öffentlichkeit vorstellen, ist ein Stück Kult am Niederrhein. Leni van Heukelum sammelte leidenschaftlich. Bilder, Grafik, Silberbesteck. Die Landwirtin kaufte alles, was in ihre überbordende Sammlung passte und das sie sich als Bäuerin leisten konnte. Auf den Flohmärkten traf sie auch andere Sammler: Die Brüder Hans und Franz-Joseph van der Grinten. Van der Grinten und van Heukelum fuhren nicht gemeinsam zu den Märkten, aber auf dem Rückweg machten alle Station bei Leni van Heukelum auf dem Hof. Dann wurde um einen Topf Suppe sitzend in ihrer Stube gefachsimpelt, wurden die Fundstücke begutachtet, eingeordnet, bewertet, Künstlern zugeordnet.

 

Leni van Heukelum starb 2001 im Alter von 77 Jahren, ihre Tochter Magdalene, die auf dem Hof blieb, verunglückte dort tödlich. Jetzt lebt Ferdi van Heukelum mit seiner Frau und seinen Kindern auf dem Hof – nachdem die Familie das Gehöft mit Architekt Thomas Breer (Eling-Architekten) umgebaut hat. Breer ging die schwierige Aufgabe, den Kult-Hof ins 21. Jahrhundert zu holen, sorgfältig wie vorsichtig und letztlich radikal an. „Das Gehöft hinter den Büschen irgendwo bei Mehr“ blieb in seiner Silhouette erhalten, wie Axel Vater es in seiner Zeichnung so charakteristisch gestrichelt hat. Ein langgestrecktes Dach auf dem Donk, jener auch vor Wasser schützenden Erhebung in einer Niederung, die dem Hof den Namen gibt. Das Vorderhaus aber war nicht zu retten, der Schweinestall, der im 90-Grad-Winkel zum Hof stand, auch nicht. Beide mussten weg und wurden durch ein neues Wohnhaus im Aufmaß des alten ersetzt. Die Kontur des Schweinestalls blieb als Terrasse erhalten.

 

Innen öffneten Breer und seine Mitarbeiterin Verena Witjes den Bau teils bis unters Dach, rissen große Fenster in die Wand des Stalls und verglasten den Giebel des neuen Vorderhauses geradezu komplett. Einzelne Wandscheiben geben wieder Geborgenheit in den sonst lichten, loftartig-luftigen Grundrissen.

 

„Wir brauchen hier unten keinen Fernseher, wir müssen nur aus dem Fenster gucken“, sagen Ferdi van Heukelum und seine Frau. Manchmal, dann kommen die Kühe bis ans Terrassenfenster heran, manchmal schweben sie im Nebel über den Wiesen. Den Fernseher haben die beiden nach oben verbannt, auf die Empore. Die entstand, weil Breer die alten Beton-Kappendecke in der Scheune durchbrach, in der das Ehepaar seine Wohnung hat. Im Vorderhaus wohnt getrennt vom Wohnbereich der Eltern der erwachsene Sohn Stefan, der auch Bauherr des Ganzen ist. Klassische Zimmer gibt es im Erdgeschoss nicht, Ein- und Ausblick bestimmt den Wohnbereich der Eltern. Hinter den Fenstern liegt die weite Landschaft.

 

Gut eineinhalb Jahre wurde an dem Gehöft gebaut, massenhaft Baustützen kamen zu Einsatz, als die Giebel und Wände geöffnet wurden, als das alte Vorderhaus abgerissen und durch ein neues ersetzt wurde. 45 Meter Betondecke mussten gegossen werden. Teils blieben die alten Träger liegen, fügen sich die geschliffenen Balken in die neue Architektur. Breer lobt die Zusammenarbeit mit dem Bauamt des Kreises Kleve bei der kniffligen Aufgabe, das Stück Kult im Außenbereich umzubauen.

 

Ferdi van Heukelum und sein Sohn Stefan bauten kräftig mit, flexten die Fugen heraus, setzten Stützen und räumten die Scheune, die immer noch zur Hälfte im Ursprungszustand blieb. Auch die alten Balkenkonstruktionen blieben erhalten. „Ohne den großen Anteil an Eigenarbeit wäre das Projekt kaum zu stemmen gewesen“, sagt Breer. Letztlich hat es sich gelohnt, sagen alle unisono.

 

Während drinnen offene klare Grundrisse, Stahl und Holz einzogen, widerstand Breer dem Versuch, auch außen modern an den alten Bau der Scheune anzusetzen. Der Neubau wurde mit einem fast gleichen Ziegelstein verklinkert, die Schmuckgesimse übernommen. So blieb hinter der wunderschönen kleinen Birkenallee, die auf den Hof zuführt, das Gehöft irgendwo bei Mehr erhalten und wurde zugleich ganz neu. Am Tag der Architektur kann man’s vergleichen: Axel Vaters Zeichnung hängt auf einer der Wände voll Kunst in der Elternwohnung.

 

 

Original Artikel RP Online, Juni 2019 

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